Jürgen Brüna, Herausgeber des Gründerpreises, im Interview

Herr Brüna, Sie haben vor mehr als 10 Jahren den Gründerpreis Nordwest ins Leben gerufen, was war Ihre Motivation?

Die Zahl der Gründungen in Deutschland geht seit Jahren zurück. Das hat viele Gründe und ist letztlich sehr schlecht für Deutschland: Gründer beleben die Wirtschaft, bringen spannende Ideen ein, schaffen Arbeitsplätze und treiben Innovationen voran. Und ganz nebenbei: Wer möchte schon in einer Welt der Großkonzerne leben? Die Möglichkeit zur Teilhabe am Wirtschaftsleben ist ein Stück gelebter Demokratie.

Aus meiner Erfahrung als Berater für Gründer und Unternehmen weiß ich: „Gründer sind Helden“. Statt diesen Helden mit immer neuen bürokratischen Anforderungen die Luft abzuwürgen und die Motivation zu stehlen ist es notwendig, Gründer und Gründungen zu würdigen und zu feiern.

Neben der Schirmherrin Gitta Connemann konnte ich viele Sponsoren und Unterstützer aus der Region gewinnen, die die Umsetzung meiner Idee erst möglich gemacht haben.

Die Zahl der Gründungen geht seit Jahren zurück. Wie kann es gelingen, die Zahl der Gründer in den nächsten Jahren zu erhöhen?

Dazu sind viele verschiedene Schritte sinnvoll. Beitragssenkungen zu den Sozialversicherungen, leichterer Zugang zu (unabhängigen) Krediten, gerade für kleine Unternehmen und nicht nur für die „Szene-Startups“ in Berlin und anderswo. Beendigung des Investitionszuschusses Wagniskapital, da es Gründer früh in Abhängigkeiten zu Geldgebern bringt. Daneben muss ganz erheblich Bürokratie abgebaut werden. Wer einmal eine Firma gegründet hat, der weiß, dass es so viele Stellen gibt, die irgendwie für irgendetwas zuständig sind. Regelmäßig sind meine Gründer der Verzweiflung nahe, weil irgendein Amt irgendetwas nicht oder nicht fristgerecht oder nur unter Auflagen bewilligt. Ein wirklich großer Schritt in die richtige Richtung wären regionale Gründeragenturen, die den Gründer begleiten und jede Gründung innerhalb vorgegebener Fristen bei allen notwendigen Stellen rechtssicher anmeldet. Mit dieser Anmeldung sollten für den Gründer alle Formalitäten erledigt sein.

Es gibt heute zahllose Programme zur Förderung von Startups. Von der Kommune über das Land, den Bund bis hin zur EU verteilen sich die Zuschussgeber. Jedes Amt hat natürlich seine eigenen Bestimmungen, Ideen und bürokratischen Regeln. Diese zersplitterten Zuschussmöglichkeiten sind oft so kompliziert zu beantragen, dass sie sich meist nur für große Vorhaben eignen. Eine Alternative dazu wäre es, für kleine Gründer eine Wahlmöglichkeit zu schaffen zwischen der Beantragung der oben genannten Zuschüsse oder für eine Grundsicherung zum Lebensunterhalt für einen bestimmten Zeitraum.

Der Gründerpreis wird 2020 zum 7. Mal verliehen, welche Erlebnisse haben Sie bisher besonders beeindruckt?

Es gibt in jedem Jahr einige „Überflieger“, die wirklich bemerkenswerte Gründungen auf die Beine gestellt haben. Das zu erleben ist sehr spannend. Ich persönlich freue mich aber auch über die vielen „kleinen“ Bewerber. Der Fliesenleger, der sich selbstständig macht und nach 4 Jahren zwei Mitarbeitern Arbeit und Brot gibt, ist für mich ein echter Held. Deshalb haben wir auch den Sonderpreis für Kleingründungen ins Leben gerufen. Viele der Bewerber freuen sich riesig, dass Ihre Anstrengungen öffentlich gewürdigt werden!

Welches sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Rahmen einer Existenzgründung?

Für mich ist es wesentlich, auf seine eigenen Fähigkeiten und Träume zu schauen. Und daraus ein tragfähiges Konzept zu erstellen. Wer unsicher ist, ob die Idee tragfähig ist, sollte Berater hinzuziehen.

Etliche Gründungen scheitern. Was sind häufige Fehler von Jungunternehmern?

Oft wird die Anlaufzeit unterschätzt. Das bedeutet, dass in der Gründungsphase oft zu wenig Kapital vorhanden ist und/oder Kredite in nicht ausreichender Höhe bewilligt wurden. Ein Zweittermin bei der Bank, um einen „Nachschlag“ zu erhalten, ist in der Regel sehr unerfreulich.

Wenn Sie einem Gründer nur einen einzigen Rat geben dürften, welcher wäre das?

Mach das, was du liebst.

Welche Gründungen der letzten 20 Jahre hat nach Ihrer Meinung das Leben der Bundesbürger am meisten verändert?

Ich glaube, es ist nicht Google oder Facebook, sondern Amazon und Co. Bereits jetzt sind die Auswirkungen auf den stationären Handel gravierend. Immer mehr Innenstädte sind in der Gefahr, zu veröden, weil immer mehr Menschen online bestellen. Es entstehen neue Jobs im Bereich Logistik, Stellen im Bereich Handel fallen weg. Selbst die Ladenmieten bleiben von dieser Entwicklung vielfach nicht unberührt.

Wie wird die Digitalisierung das Leben der Menschen in den nächsten Jahren verändern? Kann das bedingungslose Grundeinkommen drauf eine Antwort sein?

Die Digitalisierung wird die Produktivität der arbeitenden Menschen deutlich erhöhen, so dass die Zeit der benötigten Arbeit sinken wird. Da wir aber nicht immer mehr konsumieren können und dementsprechend nicht mehr hergestellt werden muss, werden viele Menschen weniger Zeit bei der Arbeit verbringen und mehr freie Zeit für sich haben. Es ist unsicher, wie sie diese freie Zeit verwenden werden. Sie können sich zum Beispiel ehrenamtlich engagieren und sich positiv in die Gesellschaft einbringen, aber ebenso könnten sie sich auch destruktiv verwirklichen. Sie könnten die Gesellschaft, die ihnen die Sicherheit und Perspektive raubt, bekämpfen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann möglicherweise helfen, die aus dieser Situation entstehenden Chancen zu vergrößern und die möglichen Gefahren zu minimieren.

Ob sich das bedingungslose Grundeinkommen wirklich positiv auswirkt und ob es bezahlbar ist, wird gerade in einigen französischen Départements, aber auch in Finnland mit einer kleinen Anzahl von Betroffenen erprobt. Ohne Experimente, ohne Erfolg oder Scheitern, bleibt das Grundeinkommen nur ein gedankliches Konstrukt. Es braucht also Pilotprojekte. Auch in Deutschland.

Jeder Gründer braucht neue Kunden. Haben Sie besondere Tipps zur Neukundengewinnung?

Gute Werbung mit den für die Zielgruppe passendem Methoden ist für fast alle Gründer eine zentrale Aufgabe. Es ist wichtig, dafür den richtigen Ansprechpartner zu finden. Auch die Verbindung in lokalen Netzwerken kann helfen, neue Kontakte zu knüpfen und neue Ideen zu bekommen. Die Aufgabe eines Gründers ist es, nicht nur im Unternehmen, sondern am Unternehmen zu arbeiten.

Ich bin sicher, dass Gründungen, die aus Überzeugung entstehen, auch in Zukunft eine große Chance haben, erfolgreich zu werden. Der Gründerpreis mit seinen Unterstützern dient dazu als Unterstützung. Wir freuen uns auf viele Bewerbungen, die auf www.gründerpreis-nordwest.de nur eine Minuten Zeit in Anspruch nimmt.